Opfer in Blutlache – alle gucken zu
Schwere Schlägerei auf Lühnder Schützenplatz: Zwei Algermissener bereits einschlägig bekannt
Mit Hirnblutungen endete für einen 20-Jährigen aus Algermissen der Besuch des Schützenfestes in Lühnde. Seine Verletzungen wertete ein Gerichtsmediziner sogar als „potentiell lebensbedrohlich“. Die folgenschwere Schlägerei entwickelte sich bereits am vergangenen Wochenende, wurde aber erst jetzt von der Polizei bekannt gegeben. „Aus ermittlungstaktischen Gründen“, erläuterte gestern Polizeisprecher Claus Kubik. Erst sollten Schläger sowie genaue Ursachen des Streits ermittelt werden.
Wahrlich keine leichte Angelegenheit, räumt der Polizeisprecher ein. Denn wie so oft bei Schützenfesten sei eine Menge Alkohol im Spiel gewesen und das Erinnerungsvermögen entsprechend getrübt. So viel steht fest: Der Streit begann gegen Mitternacht. Ein 18- und ein 20-jährigen Festbesucher, beide aus Algermissen, gingen mit Fäusten aufeinander los – zwischen Festzelt und Autoscootern. Ein 21-jähriger Mann, ebenfalls aus Algermissen, beobachtete die Schlägerei, griff ein und schlug laut Polizeibericht den 20-Jährigen zu Boden. Ein weiterer Kumpel des Opfers wurde nun ebenfalls in die Klopperei verwickelt: Der 18-Jährige und der 21-Jährige schlugen und traktierten ihn so mit Fußtritten, dass auch er blutend zu Boden ging. Damit nicht genug: Auf die beiden wehrlosen Jugendlichen am Boden traten die beiden Schläger noch weiter ein. An dieser vorsätzlichen Quälerei soll sich zudem noch ein 14-jähriger Schüler aus Algermissen beteiligt haben. Der 20-Jährige, der die Schlägerei mit begonnen hatte, erlitt durch die Brutalitäten eine Hirnblutung. Auch das andere Opfer am Boden hatte schwere Verletzungen. „Die lagen in einer Lache, bluteten fürchterlich aus Nase und aus den Zähnen“, beschreibt Ersthelfer Hans-Christian Dreßner. Der Freiwillige Feuerwehrmann aus Ummeln kam ganz zufällig zu dem Geschehen, wollte mit seinen Kollegen eigentlich nur Fischbrötchen kaufen. „Am schlimmsten, da kümmerte sich überhaupt keiner um die Opfer“, zeigt sich der 62-Jährige noch immer entsetzt über die demoralisierende Teilnahmslosigkeit. Eine größere Gruppe von Jugendlichen stand zwar um die Schwerverletzten herum, telefonierte aber mit ihren Handys oder guckten gelangweilt weg. „Einer pöbelte sogar uns noch an, als wir helfen wollten“, beschreibt Dreßner. Sein Kollege Thomas Paul, designierter Ortsbrandmeister von Ummeln, rief sofort den Notarzt, zwei weitere Freiwillige Feuerwehrmänner brachten die Verletzten in die stabile Seitenlage. Beide Opfer wurden im Krankenhaus behandelt. Der eine Mann soll bleibende Hörschäden davongetragen haben. Versuchte Tötung – dieser Verdacht erhärtete sich nach den Ermittlungen der Hildesheimer Polizei und der Staatsanwaltschaft. Gegen den 21-jährigen Haupttäter wurde ein Haftbefehl ausgesprochen. Er, sowie der 18-Jährige sind schon mehrfach durch Rohheitsdelikte aufgefallen wie schwere Körperverletzung juristisch bezeichnet wird. Von einer Untersuchungshaft des Hauptbeschuldigten wurde dennoch abgesehen – unter strengen Auflagen. Richter und Staatsanwalt machen erneut sehr deutlich: Tritte und Faustschläge gegen am Boden liegende Opfer kommen einer versuchten Tötung gleich. „Ich bin tief betroffen“, sagt Ortsbürgermeister Thomas Weiß. Der 44-Jährige war ebenfalls Gast auf dem Schützenfest. Als er gegen 22 Uhr gegangen war, sei von diesen Eskalationen noch nichts zu spüren gewesen. Gleichwohl räumt er „ein ungutes Gefühl“ ein, weil das dreitägige Lühnder Fest als erstes Schützenfest im Nordkreis stets eine große Anziehung gerade auf Jugendliche habe. Aus allen Himmelsrichtungen strömen sie dann herbei. Das Problem: „Den harten Alkohol bringen sie größtenteils selber mit.“ Es gehe vielen darum, ordentlich Party zu machen, gleichbedeutend, mit viel Alkohol zu trinken. So sei Randale beim Lühnder Schützenfest längst keine Seltenheit. Im vergangenen Jahr war es ebenfalls zu einer Schlägerei unter Jugendlichen gekommen.