„Lädchen ist Gold wert“
Einkauf und Schwätzchen halten: Lühnder lieben ihren kleinen Dorfladen
(HAZ/ick). Katze Leonie schnürt um die Hausecke. Die Graugetigerte fühlt sich magisch angezogen vom „Lädchen“ am Bolzumer Tor. Bestimmt kommt gleich die freundliche Frau mit einer Scheibe Wurst zu ihr heraus. Wie jeden Morgen. Da öffnet sich schon die Tür: „Hast Du Hunger?“, fragt Andrea Künzel. Leonie antwortet mit einem kehligen „Miau“. Ein paar Streicheleinheiten und liebe Worte für den Stubentiger, dann geht die 34-Jährige wieder an die Arbeit. Gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter Angelika Künzel betreibt die Hausfrau seit rund vier Jahren das „Lädchen“ im 1413 Einwohner zählenden Lühnde. Früher existierte im Ort ein Schlachter, es gab einen Friseur, einen Kaufmann, sogar einen Fischhändler. Heute sind die Leute froh, dass sich wenigstens der Kiosk noch hält. Zuvor hatte es ein Pizzaservice an gleicher Stelle versucht. Kundschaft betritt den Raum, jeder wird namentlich begrüßt. Angelika und Andrea Künzel kennen die junge Studentin Janina Schiever, die für ihre Oma die Besorgungen erledigt, sie scherzen mit Ortsbrandmeister Ekkehard Lütke, der heute ganz leger in Sandalen daherkommt, versorgen Maurer Steffen Möller auf dem Weg zur nächsten Baustelle mit heißem Kaffee und legen für Rentner Hans-Werner Goike vorsorglich ein Roggenbrötchen zur Seite.
Viele Kunden kommen täglich hier vorbei, manche in Eile, andere mit Weile und dem Wunsch nach unverfänglicher Plauderei. „Es ist Gold wert, wenn man so einen Laden hat“, weiß die 74-jährige Gisela Schade, „er ist praktisch und gut. Man trifft sich hier und hat Kontakt. So, wie es früher einmal war.“ Für alle haben Künzel & Künzel eine aufmunternde Bemerkung, eine witzige Antwort parat – je nachdem, wer gerade vor der modernen Theke in dem hell erleuchteten Ladenlokal steht. Und wer beim Laufen ins Oberdorf aus der Puste gekommen ist, ruht sich am Bistrotisch in der Sitzecke aus. Ein Becher Kaffee ist schon in der Mache. Mit „Sonst geht’s gut?“ und „Muss ja“ fangen die Gespräche oft an. Das Lädchen bedeutet viel für den Ort – Einkaufsmöglichkeit, Kummerkasten, Befin dlichkeitsbarometer und beheizter Dorftreff in einem. Angelika Künzel schneidet ein Mohnbrötchen auf und belegt es mit Mortadella. Auf jede Hälfte zwei große Scheiben. „Geboren, getauft, konfirmiert und geheiratet in Lühnde“, stellt sich die 59-Jährige lachend vor. Mittlerweile wohnt sie im rund zehn Kilometer entfernten Borsum, aber ihre 83 Jahre alte Mutter ist hier geblieben. Der Kiosk ist für die Frau mit dem schulterlangen, blonden Haar nur eins von zwei „Standbeinen“. Die Einkünfte in Lühnde sind bescheiden. Aber da gibt es noch die Schaustellerei, der sie mit Ehemann und Kindern nachgeht; auf dem Hildesheimer Weihnachtsmarkt ist die Familie mit Schießbude und Zuckerwagen vertreten. Allein vom Laden leben könnte sich nicht – „der trägt sich nur gerade so.“ Wenn überhaupt. Nun erklären sich auch die bunten Kirmes-Bonbontüten in der Auslage. Oder der fröhliche, lebensgroße Weihnachtsmann auf der umgedrehten Coca-Cola-Kiste. Auf Knopfdruck wackelt er los zum „Christmas-Rock“. „Der war sein Geld wert“, schmunzelt Angelika Künzel, „die inder mögen ihn auch sehr“. Sie nimmt die Puppe in den Arm und tanzt ein bisschen mit. Das Lädchen ist gar nicht so klein, wie der Name vermuten lässt. Der großzügige Raum mit den hohen Holzregalen und glänzenden Kühlvitrinen gehörte früher zum Festsaal des Landgasthauses Wilhelm Platz direkt an der Durchgangsstraße. Äußerlich fällt das Geschäft kaum auf, wäre da nicht das Fähnchen mit der Zeitungsreklame draußen an der Backsteinmauer und ein handgeschriebenes Schild mit den Öffnungszeiten in der gläsernen Eingangstür. Das Sortiment ist übersichtlich, es reicht aber für den täglichen Bedarf: Aufschnitt, Käse, Brot, Reis, Suppen, Nudeln, Bio-Eier, Obst und Mineralwasser, das auf Wunsch nach Hause geliefert wird. Zeitungen, Zigaretten, Sekt, Süßes und Salziges, Waschmittel, Briefmarken, Taschentücher, Katzenfutter, Gelbe Säcke… von allem ist etwas da. Sonderwünsche werden freundlich angenommen. Wieder schwingt die Eingangstür auf. Ein großgewachsener sportlicher Typ trägt einen Plastikkorb voll Gersterbrot hinein. Torsten Zielasko (40) ist Auslieferungsfahrer der Bäckerei Bertram aus Ingeln-Oesselse, von dort hat er um sechs Uhr in der Früh schon Brötchen und Kuchen gebracht. Fleischer Wilhelm aus Sehnde und Schlachter Schrader aus Borsum sorgen für frisches Mett und Wurst im Lühnder Lädchen. Was fehlt, sind regionale Produkte wie Äpfel und Nüsse aus Opas Garten oder Hühnereier von der Nachbarin. „Das Ordnungsamt kontrolliert die Waren. Wenn die von Privat kommen wissen wir nicht, wie sich das verhält“, bedauert Andrea Künzel. Fragen, die auch für die Dorfladen-Initiativen, die derzeit im benachbarten Bolzum und in Rössing entstehen, von Bedeutung sind.
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