„Am Brink“ brodelt es beständig
Provokation, Prügel, Polizei: In Lühnde geraten Jugendliche und Anwohner regelmäßig aneinander
(HAZ/rek). Für die einen ist es der einzige Treffpunkt im Ort, für die anderen ein ständiger Unruheherd: der Platz „Am Brink“ mitten in Lühnde. Dort, wo die Hauptstraße kurz innehält und sich ein wenig für die Bushaltestelle verbreitert. Seit Jahrzehnten ist hier der Treffpunkt für die Dorfjugend. Wer kann, kommt mit dem Auto. Die anderen zu Fuß. Auch aus den umliegenden Dörfern. „Da ist halt immer jemand“, sagt ein 21-Jähriger, der dort ebenfalls oft anzutreffen ist. Hier wird gequatscht, gelacht, Musik gehört, gelästert und auch mal gebechert. Und ja: Auch mit den Autos wird gerne cool getan. Man kennt sich – fünf bis 15 Leute sind dort fast immer anzutreffen. „Im Sommer können es auch schon mal mehr sein“, meint einer der „Brink“-Gänger. Sehen und gesehen werden, so beschreibt der junge Mann die Attraktivität des dörflichen Umschlagplatz für Kontakte. Er sei froh, dass man überhaupt irgendwo hingehen könne in Lühnde, wo auch viele Gleichaltrige sind. „Wir machen doch nichts Böses, aber wir brauchen doch auch einen Treffpunkt.“ Das kann Ortsbürgermeister Thomas Weiß gut verstehen. Der waschechte Lühnder hat selbst in seinen Teenie-Zeiten hier gestanden „und auch viel Spaß gehabt“, wie er heute noch gerne einräumt. Das ist schon länger her. Doch er weiß genau, dass dieses Spaßhaben auch durchaus mit lauten Geräuschen verbunden sein kann, die andere in den Abend und Nachtstunden ziemlich nerven. Bürgermeister Weiß: „Und genau da ist immer wieder der Konfliktpunkt.“ Wie eine Welle schaukele sich die Situation wieder hoch, um dann zwischenzeitlich mal abzuebben. Gerade sei mal wieder eine Hochphase, auch wenn der Platz wegen der Kälte weniger frequentiert sei. Nicht selten kommt die Polizei zum „Brink“ – alarmiert von Anwohnern, die sich von der lauten Geräuschkulisse gestört fühlen. Gegröle, Türenklappen, Radiomusik und Randale, so beschreiben die Anwohner der Polizei die nächtliche Ruhestörung.
„In Lühnde ist die Situation an den Jugendtreffs nicht schlimmer als anderswo“, beschreibt der zuständige Polizeihauptkommissar Frank Müller aus Sarstedt. Zum Vergleich: In Algermissen am Bahnhof, in Nordstemmen am Denkmal, in Sarstedt oder Bledeln gebe es ähnliche laute Stellen. In Lühnde sei eben der „Brink“ der neuralgische Punkt. Müller bestätigt, dass die Polizei des Öfteren zu diesem Platz gerufen werde. Das Problem: „Wenn wir kommen, sind die Jugendlichen meist freundlich und gesprächsbereit beziehungsweise reagieren auf den Platzverweis“, beschreibt der Hauptkommissar. Und: Es sei ja nicht verboten, an der Bushaltestelle zu sitzen und zu reden. Polizeilich könne man erst einschreiten, wenn ein Anwohner namentlich einen Jugendlichen beschuldige, gegen die Nachtruhe verstoßen zu haben. Müller: „Die Nachbarn tauchen zwar oft persönlich dort auf, wer aber jetzt genau der Verursacher ist, wissen sie wohl auch nicht.“ Die Polizei brauche aber für eine Anzeige Namen, um Störenfriede auszumachen. „Vielleicht müssen die Anwohner da auch mehr Courage zeigen.“ Pauschal eine Ordnungswidrigkeit aufzuschreiben – das sei nicht möglich. Einer allein gegen viele – so empfinden die gestörten Nachbarn die Auseinandersetzungen. Bislang wollte sich auch keiner konkret öffentlich äußern. Aktenkundig ist der schwelende Ärger inzwischen dennoch. Im vergangenen Jahr ist an einem Abend die Situation eskaliert. Ein Anwohner hatte versucht, Beweise zu sammeln, Autos und Jugendliche fotografiert. Ein Ansinnen, das auf wenig Gegenliebe stieß. „Der Mann und mein Kollege sind schließlich aufeinander losgegangen, bis beide am Boden lagen“, erinnert sich der 21-Jährige an die heftige Auseinandersetzung im Oktober. Der „Brink“-Konflikt hatte mal wieder einen traurigen Höhepunkt erreicht – nun mit einem juristischen Nachspiel, das noch längst nicht abgeschlossen ist. Dabei hat es schon mehrere Versuche gegeben, den Platz „Am Brink“ zu befrieden: der Umbau 2002, die aufgestellten Halteverbotsschilder gegenüber der Bushaltestelle, die verstärkten Öffnungszeiten des Lühnder Jugendraums am Schützenplatz gerade in den Wintermonaten. „Mir ist dieser Konflikt sehr wohl bekannt“, sagt auch Gemeindejugendpfleger Sönke Deitlaff und weiß, dass es hier keine Patentlösung gibt. Natürlich könne man den Lühnder Jugendraum noch öfter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zur Verfügung stellen – seit zwei Wochen gibt es mehr Termine. Eine weitere Ausdehnung hält er nicht für sinnvoll. „Das Problem wäre nicht gelöst, sondern verlagert.“ Deitlaff kann beide Seiten gut verstehen: die Jugendlichen, die einen Treff brauchen, aber auch die Anwohner, die für ihre Lebensqualität auf Ruhe pochen. Das einzige, was helfe, sei ein Gespräch. „Das funktioniert nur, wenn beide Seiten wollen.“ Darauf setzt auch Ortsbürgermeister Thomas Weiß, der sich als Vermittler zwischen den Kontrahenten anbietet und auch schon verschiedene Einzelgespräche geführt hat. „Wir leben hier in Lühnde nun mal zusammen – beide Seiten müssen das respektieren.“