Heimatglocke ertönt vor Konzert

Marek Pilch aus Breslau spielt Orgelwerke in Lühnde / 663 Euro für Orgeln in Schlesien

Lühnde (htw). Viele Schlesier aus Gießmannsdorf und Umgebung im schlesischen Kreis Bunzlau hat es nach dem Zweiten Weltkrieg in den Raum Hildesheim verschlagen. Zahlreiche Vertriebene aus Gießmannsdorf fanden damals in Lühnde und den umliegenden Dörfern eine zweite Heimat und eine neue Verwurzelung in der evangelischen Kirchengemeinde.
Marek Pilch glänzte beim Benefizkonzert in Lühnde. Foto: WiechensEine im Jahr 1519 gegossene Glocke aus Gießmannsdorf sollte gegen Ende des Krieges für die Produktion von Waffen eingeschmolzen werden. Sie wurde aus dem Turm ausbgebaut und abtransportiert. Auch die große Glocke des Vierergeläuts der Lühnder Kirche wurde für diesen Zweck ausgebaut. Sie ist nie wieder nach Lühnde zurückgekehrt. Ein aufmerksamer Schlesier hatte die Glocke aus Gießmannsdorf aber im Jahr 1952 auf einem Glockenfriedhof bei Hamburg entdeckt. Als „Patenglocke“ der Gießmannsdorfer wurde sie dann nach Lühnde gebracht und als Ergänzung des Vierergeläuts im Lühnder Turm eingebaut. Dort läutet die große Glocke seit nunmehr 56 Jahren und erinnert viele Einwohner an die alte schlesische Heimat. Bei Trauerfällen erklingt sie allein oder gemeinsam mit den anderen drei Glocken bei festlichen Anlässen.
Diesmal erschallte die „Heimatglocke“ aus Gießmannsdorf zur Begrüßung der Besucher eines Benefizkonzertes allein. Das „Ökumenische Frauen-Frühstück“ und der „Verein zur Erforschung und Erhaltung Schlesischer Orgeln“ (VEESO) hatten zu dem Konzert in die Sankt-Martinus-Kirche nach Lühnde eingeladen.
Prominenter Gast aus der schlesischen Heimat war der Organist der evangelischen Christophori-Gemeinde und Direktor des evangelischen Institutes für Sakrale Musik in Breslau, Marek Pilch. Der bekannte Kirchenmusiker erspielte 1992 bei einem internationalen Orgelwettbewerb in Gdansk und 1997 beim Cembalowettbewerb des NDR in Hamburg hohe Auszeichnungen. Nun spielte er auf der kleinen, 1885 vom hannoverschen Orgelbauer „Furtwängler und Hammer“ gebauten Orgel zahlreiche Werke großer Meister – darunter Orgelwerke von Mozart, Haydn und Bach.
Zu dem Konzert in der vollbesetzten Kirche kamen zahlreiche Kenner. Sie bescheinigten dem Organisten Pilch anschließend eine präzise Fingerfertigkeit. Die schwierigen Orgelwerke spielte er auch in schnellen Tempi perfekt. Das Konzertprogramm wurde feinfühlig auf die klanglichen und technischen Gegebenheiten der bescheidenen, aber klangschönen Orgel abgestimmt. Die künstlerische Leistung und das noble Orgelspiel wurden von allen Fachleuten gelobt.
Das Konzert brachte einen Überschuss von 663 Euro ein. Dieser Betrag soll für die Restaurierung von Orgeln in Schlesien Verwendung finden. VEESO-Geschäftsführer Andreas Busch aus Aalen in Baden-Württemberg bedankte sich besonders bei der Initiatorin Gisela Bartsch vom Frauenfrühstück sowie Ingeborg Schulze vom Kirchenvorstand für die Organisation des Konzertes. Nach dem Konzert erklang die Heimatglocke erneut – und bei manchen Besuchern flossen auch Tränen.
Die vielen Konzertbesucher aus den Regionen Hildesheim, Hannover, Oldenburg, Kassel und sogar aus Görlitz saßen anschließend im Gemeindehaus zusammen. Auskünfte über die Heimatglocke gab Werner Liewald aus Holle. Günter Seidel aus Sorsum hatte Kartenmaterial über die geographische Lage des 8,5 Kilometer langen Straßendorfes Gießmannsdorf mitgebracht.
Den Teilnehmern wurden bei dieser Gelegenheit schlesische Köstlichkeiten wie Kartoffelsalat mit Würstchen und Mohnkuchen serviert. Marek Pilch sagte zu, dass er für diesen guten Zweck auch ein zweites Mal zu einem Konzert in den Hildesheimer Raum kommen würde.

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