„Schlauch im Bauch“ rumort weiter
Nach OP-Panne: Lühnder Patient nun doch im Streit mit Klinik / „Pauschalentschädigung ist lächerlich“
(HAZ/rek). Thomas Timpen hat weiter Bauchschmerzen – wenn auch im übertragenen Sinn. Eigentlich dachte er, die Sache mit dem vergessenen Schlauch im Bauch sei so gut wie ausgestanden. „Leider stimmt das nicht“, sagt der 58-Jährige betroffen. Denn nun wird ums Geld gestritten: Schadensersatz und Schmerzensgeld. „Die angebotene Pauschalentschädigung ist lächerlich.“ Der Lühnder schließt sogar eine Klage nicht mehr aus. Er hat bereits eine Rechtsanwältin. Eine schnelle Einigung, die die Klinik zunächst im Sommer noch in Aussicht gestellt hatte, scheint sich wohl nicht zu bewahrheiten. Wie berichtet, hat Timpen vor einem halben Jahr eine Krankengeschichte zu Ende gebracht, die sich wohl getrost als Patienten-Albtraum bezeichnen lässt. Mehr als drei Jahre hatte der Frührentner mit einem vergessenen Drainage-Schlauch im Bauch gelebt. Das 31 Zentimeter lange Plastikstück ist Relikt einer Darmkrebs-Operation aus dem Jahr 2010 gewesen. Der Eingriff wurde seinerzeit in einer Klinik aus der Region Hannover vorgenommen. Erst durch eine akute Gallenentzündung im Juli, bei der der Mann als Notfall in die Medizinische Hochschule Hannover eingeliefert wurde, ist der transparente Fremdkörper entdeckt worden – zufällig auf dem Röntgenbild.
Inzwischen steht der ehemalige Schlauch-Mitbewohner zu Hause in einer Plastikdose bei Timpen im Bücherregal. Gut verschlossen. Eigentlich dachte der 58-Jährige, dass sich nun alles schnell zum Guten wenden werde. Seine merkwürdigen Dauerdruckschmerzen, der unerklärliche Knubbel über der Taille – all das war nun nach der Entfernung des vergessenen Drainage-Rests verschwunden. Nach der Veröffentlichung in dieser Zeitung hatte sich der Chefarzt der verantwortlichen Klinik sogar persönlich bei dem Lühnder Patienten gemeldet, den Fehler eingeräumt und umfassende Unterstützung bei der Wiedergutmachung zugesagt. „Ich war damals sehr angenehm überrascht, dass der Arzt nicht alles abstritt, den ärztlichen Fehler unumwunden zugegeben hat“, sagt Timpen. Seiner Meinung nach ist die Lage ja auch eindeutig: der herausoperierte Plastikschlauch, die schriftliche Dokumentation in seiner Patientenakte aus der MHH, das Eingeständnis des Chefarztes aus der betroffenen Klinik – was sollten jetzt noch für Komplikationen auftreten? So dachte Timpen noch im August. Inzwischen hat sich die Sache jedoch ganz anders entwickelt. In einem Briefwechsel zwischen der Klinik und der Anwältin, der dieser Zeitung vorliegt, wird deutlich, dass die zuständige Schadensausgleichsabteilung davon ausgeht, dass der Patient ohnehin wegen der Gallenentzündung operiert werden musste. Dabei sei eben der Fremdkörper gleich mitentfernt worden. „Man hat hier die Narbe eines vorangegangenen Eingriffs als Zugang gewählt“ – so heißt es in dem Schreiben der Klinik. Weiter schreibt die Klinik, sie sei ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, eine Pauschalentschädigung zu zahlen. „Über die genaue Summe können wir uns noch nicht öffentlich äußern, da es sich um ein schwebendes Verfahren handelt“, erläutert Timpens Rechtsanwältin Sina Breier aus Hannover. Dennoch ist der Juristin anzumerken, dass sie das Angebot für inakzeptabel hält. Das Zehnfache sei in solchen Fällen ein angemessenes Minimum. Die Anwältin, die sich auf Medizinrecht spezialisiert hat, geht derzeit davon aus, dass der Fall wohl doch auf eine Klage hinauslaufen wird. „Wir sind nach wie vor sehr an einer außergerichtlichen Einigung interessiert“, betont dagegen Bernhard Koch, Pressesprecher beim Klinikum der Region Hannover, zu dem insgesamt zwölf Krankenhäuser zählen. Die betroffene Klinik soll inzwischen erneut Kontakt mit Timpens Anwältin aufgenommen haben, eine andere Sachbearbeiterin habe den Fall übernommen, heißt es. „Vielleicht ist es ja doch bald ausgestanden“, hofft der Lühnder. Doch: Auf sein Bauchgefühl will er sich nicht mehr verlassen.